Dienstag, 7. Juli 2009

36° und es wird noch heißer...

36°C zeigt das Thermometer im Schatten an einem sonnigen Samstagnachmittag in Downtown. Die gefühlte Temperatur liegt locker um 65°C und lässt die Innenstadt zu einem gut gefüllten Backofen für Weihnachtsplätzchen werden.

Diese olfaktorische Vorstellung wäre zu schön, würde sie nicht von einem unappetitlichen Konglomerat unzähliger Ausdünstungen der Menschenmassen, die sich durch die Fußgängerzone schieben, völlig überlagert. Da macht es Sinn, sich schnellstmöglich an einen schattigen Ort mit halbwegs frischer Luft zu verziehen, von dem man einen guten Blick auf die endlose Karawane der Shoppingfetischisten hat und dabei den Genuss des geeisten Kaffees, nicht iced coffee, eines unabhängigen Kaffeehauses zu zelebrieren. Bis zu dem Zeitpunkt an dem das eigene Schlürfen von einem anderen Geräusch übertönt wird.

Ein fast identisches Geräusch, welches Jabba the Hut macht, wenn er seinen fetten, schleimigen Körper hin und her wuchtet. Das Geräusch von laufenden Füßen in Flip-Flops!

Einer der besten Beweise dafür, was ein einziges Modediktat anrichten kann. Würde sie nicht irgendein pfiffiger Marketing-Verführer mit diesem hippen Namen versehen haben und sie in unzähligen Variationen in China oder Taiwan produziert haben, wären sie nicht aus Mamas Sammlung der 70er-Jahre-Peinlichkeiten auferstanden. Dann würden sie noch Gummilatschen heißen, es gäbe sie in blau oder rot oder schlimmstenfalls mit Plastikblume und niemand würde sich trauen, sie außerhalb der Badeanstalt oder nach Ende des Italien-Urlaubs zu tragen. Gummilatschen haben eine eher kurze Lebenserwartung. Das ist so ein bisschen wie mit den Rasta-Zöpfchen, zu denen man sich manche Zeitgenossin im zweiwöchigen-all-in-Dom.Rep.-Urlaub gefühlsduselig und sonnenstichgefährdet überreden lässt. Sobald der Alltag wieder eingekehrt ist, sind die Zöpfe, die vorher schon peinlich waren, nur noch oberpeinlich.

Frauen sind im Allgemeinen recht leidensfähig, was das Outfit anbelangt, weshalb sich erklärt, warum High-Heels immer in der Top-Ten der Musthaves stehen. Es erklärt aber nicht, warum man bei gefühlten 78°C im Schatten die Füße in dünne Riemchen auf 10-cm-Absätze stecken muss. Ich meine, so ein Shoppingtrip dauert schließlich ein paar Lichtjahre und Blasenpflaster und Gel-Einlagen sind auch irgendwann ausverkauft.

Meine erste Theorie ist, dass einige Schuhhersteller, mutmaßlich solche, die mit wenig, vorzugsweise billigem Material schlecht sitzende Schuhe herstellen, deren Kaufpreis zwischen dem einer Pendelhubstichsäge vom Discounter und einer fettigen Pizzazunge einer Backwaren-Kette liegt, eine Allianz mit Starbucks, Balzac, o.ä. eingegangen sind. Und dass Starbucks-Filialen strategisch gut in Fußgängerzonen platziert werden, damit die behighheelte Dame bei einem vanilla flavoured grande caffee latte, nicht bei einem großen mit Vanillearoma versehenen Milchkaffee, die schmerzenden Füße vergessen kann, um sich nach einem kleinen Break, nicht Pause, das nächste Billig-Paar Schuhe zuzulegen.

Meine zweite Theorie ist die, dass Frauen, die High-Heels tragen, zu faul sind, mit dem Arsch zu wackeln, was sie mir in gewisser Weise fast sympathisch macht. High-Heels sind in aller Regel, und auch außerhalb derselben, dazu da, den visuell gesteuerten Herren der Schöpfung, durch den rhythmisch zuckenden, unteren Teil der Körpermitte, Fortpflanzungsbereitschaft zu signalisieren. Die Physik der High-Heels sorgt dafür, dass man sich für diesen Hüftschwung nicht anstrengen muss, der kommt von alleine. Was mich dabei ein wenig nachdenklich stimmt, dass Frauen jenseits der Menopause ebenfalls High-Heels tragen. Allerdings nicht die Billig-Ausführung, sondern das exorbitant hochpreisigere italienische Modell. Was womöglich daran liegt, dass diese Frauen keinen flavoured coffee bei Starbucks trinken, sondern eine Saeco Incanto zu Hause haben, dies aber nicht zwingend von Vorteil ist, weil italienische Schuhe eine ähnliche Eigenschaft wie italienische Elektrogeräte haben: schönes Design, miese Technik und schlampige Ausführung.

Aber zurück zu den Flip-Flops, bei denen sich mir immer zwei Fragen stellen: Muss man sich irgendetwas zwischen die Zehen stecken, um auf einer platten Sohle laufen zu können? Braucht man sie als Alibi, um die Füße beim Gehen nicht anheben zu müssen, bzw. sind sie womöglich ein stiller, später Aufstand gegen die eigenen Eltern, deren regelmäßiger Ausspruch „Nun, heb’ doch mal die Füße und schlurf’ nicht so, der Teppich nutzt sich sonst so schnell ab!“ einen zu bestimmten Zeiten zur Weißglut trieb?

Vielleicht hab’ ich auch einfach eine Abneigung gegen Flip-Flops, weil ich normalerweise zu schnell für diese Art „Schuhe“ laufe. Meiner Erfahrung nach, kann man in diesen Tretern nur schlurfen, schlendern und müßig den Tag verplempern. Mag im Urlaub in Ordnung sein, aber im überzüchteten, schnelllebigen Alltag?

Na ja, vielleicht kommt ja bald jemand auf die glorreiche Idee, sie wieder „Gummilatschen“ zu nennen und dann wär’ das Thema vom Tisch, der schmatzende, schleimige Jabba weg aus meinem Kopf und dieser Typ da vorne, Marke männlicher Komplett-Flopper in Flip-Flops verschwände endlich aus meinem Blickfeld. Kann ich bitte noch einen geeisten Kaffee mit entrahmter Milch ohne irgendein Aroma, im Mitnahme-Becher ohne meinen Namen darauf, aus einem unabhängigen Kaffeehaus ohne Logo bekommen? Das wär’ nett.

(c) Daniela Röcker 2007