Donnerstag, 23. Dezember 2010

Na dann, frohe Weihnachten!


„Gabriel, ich hab’s satt“. Der Herr wackelte mit dem Kopf und stützte eine Hand auf der Sessellehne ab. Draußen vor der Türe war lautes Lamentieren und Streiten zu hören. „Jedes Jahr das gleiche. Nie sind die sich einig, immer diese Streiterei!“
„Ei, Herr“ antwortete Gabriel „was könnet mer denn von die 400 Euro-Kräfte verlange? Sonsch müsste mer scho ebbes mehr uslege on des gibt dr Etat net her.“ „Ja, ja ich weiss schon, die Sparmaßnahmen“, meckerte der Herr und brüllte laut „Schluss jetzt, ihr beiden. Los alle beide zu mir. Antreten!!!“

Die beiden Streithähne vor der Tür hielten inne und wandten sich gesenkten Hauptes ihrem Chef zu. Das goldene Haar des Christkindes war zerwühlt und struppig, das weiße Kleidchen am Saum abgewetzt und eingerissen. Trotzig sah es den Herrn an.
„Herr, ich will Gleichberechtigung. Immer muß ich in dem gleichen Fummel `rumrennen. Und der Dicke hier bekommt jedes Jahr ein neues rotes Kostüm von Coca Cola.“

„Mei, Madel“, plusterte der Weihnachtsmann sich auf, „i kann a nix dafür, dass dei Pablik Reläschens net so gut is wie die meine. Außerdem hob i halt im letzten Johr a bissel zu`gnomme. Dös alde hat halt net mer g’passt.“ „Ph“, machte das Christkind und verschränkte die dünnen Ärmchen vor der Brust „ich könnt `nen Vertrag mit Prada haben, wenn ich wollte. Dann müsste ich nicht dieses weite, unmoderne Teil tragen, darf keinen Arsch, keine Titten und kein Bein zeigen. Wo sind wir denn hier?“
„I hob g`nau gesehen, wia Du beim Williams Robbie im Wohnzimmer den Rock hochg`hoben hast“, petzte der Weihnachtsmann und schnaubte geräuschvoll durch die Nase.
„Ich hatte eiskalte Füße, Du Schwimmbux“ motzte das christliche Kindchen böse, „und wollte mich am Kamin ein bisschen aufwärmen. Ich hab’ schließlich keine dicken, warmen Stiefel. Seit Jahren schleppe ich die Geschenke ganz alleine ohne Hilfe in die Häuser, während Du einen ganzen Hofstaat an Helfern hast.“
„Dafür host a Top-Figur, Dirndll“, grinste der Weihnachtsmann unverschämt, „außerdem is es a net angenehm, dös ganze Johr in oaner WG mit Zwergen, Elfen und Rentiere z`hausen.“
„In einer WG?“ das Christkind ereiferte sich vollends und seine Stimme überschlug sich, „Eine WG nennst Du dieses komfortable Einfamilienhaus in wunderschöner naturbelassener Lage? Mit offenem Kamin, gemütlichem Sofa, genug zu trinken im Kühlschrank und Deine Zwerge kochen Dir was Du willst. Ich hab’ nur `ne zugige, mitnichten weiche, Wolke, eine lausige Postfachadresse, muss meine Plätzchen selbst backen und die Engel zicken auch immer `rum.“

„Ja Kruzitürken, spinnertes Weib….“ hob der Weihnachtsmann wieder an, aber der Herr unterbrach ihn. „Stoooop, es reicht ihr beiden“, polterte der Herr, „ich hab’ Euch eingestellt, damit ihr den Menschen Freude bringt und Wünsche erfüllt. Meine Kirchen sind leer und ich bin auf gute Publicity angewiesen. Seht Euren Job gefälligst mal positiv. Ihr habt das ganze Jahr Urlaub und müsst nur am Heiligabend ein paar Stunden malochen. Jeder Erdenbürger würde sich nach so einer Arbeitszeit sehnen. Ihr habt keine mobbenden Kollegen, die Euch den Platz streitig machen und keine Kunden, die sich beschweren. Zur Not könnt ihr Fehler bei den Geschenken auf die Eltern abwälzen. Ihr habt Betriebswohnungen, für die ihr keinen Cent Miete zahlt und die Berufskleidung bekommt ihr auch noch gestellt.“

„Und was ist mit der Arbeitssicherheit?“, wagte das Christkind einzuwenden, „die Berufsgenossenschaft hätte sicher was dagegen, wenn ich so ungesichert einen Berg Pakete schleppe.“ „Gut“, entgegnete der Herr entnervt, „dann sorge ich nächstes Jahr dafür, dass Du einen Schutzhelm und Sicherheitsstiefel mit Stahlkappe bekommst. Aber mehr kann ich wirklich nicht tun. Meine Mittel sind erschöpft.“

„Chrchr“ machte der Weihnachtsmann, der in der Zwischenzeit unbemerkt eingeschlafen war. „Pst, Herr“, flüsterte das Christkind, „kann ich nicht doch mal bei Prada nachfragen? Vielleicht würden die ja sponsorn…“ Der Herr dachte „sach ma nix“ in seiner Heimatsprache, in der er sich nie laut äußern durfte, und wandte sich resigniert ab.


(c) Daniela Röcker 2010