Donnerstag, 23. Dezember 2010

Na dann, frohe Weihnachten!


„Gabriel, ich hab’s satt“. Der Herr wackelte mit dem Kopf und stützte eine Hand auf der Sessellehne ab. Draußen vor der Türe war lautes Lamentieren und Streiten zu hören. „Jedes Jahr das gleiche. Nie sind die sich einig, immer diese Streiterei!“
„Ei, Herr“ antwortete Gabriel „was könnet mer denn von die 400 Euro-Kräfte verlange? Sonsch müsste mer scho ebbes mehr uslege on des gibt dr Etat net her.“ „Ja, ja ich weiss schon, die Sparmaßnahmen“, meckerte der Herr und brüllte laut „Schluss jetzt, ihr beiden. Los alle beide zu mir. Antreten!!!“

Die beiden Streithähne vor der Tür hielten inne und wandten sich gesenkten Hauptes ihrem Chef zu. Das goldene Haar des Christkindes war zerwühlt und struppig, das weiße Kleidchen am Saum abgewetzt und eingerissen. Trotzig sah es den Herrn an.
„Herr, ich will Gleichberechtigung. Immer muß ich in dem gleichen Fummel `rumrennen. Und der Dicke hier bekommt jedes Jahr ein neues rotes Kostüm von Coca Cola.“

„Mei, Madel“, plusterte der Weihnachtsmann sich auf, „i kann a nix dafür, dass dei Pablik Reläschens net so gut is wie die meine. Außerdem hob i halt im letzten Johr a bissel zu`gnomme. Dös alde hat halt net mer g’passt.“ „Ph“, machte das Christkind und verschränkte die dünnen Ärmchen vor der Brust „ich könnt `nen Vertrag mit Prada haben, wenn ich wollte. Dann müsste ich nicht dieses weite, unmoderne Teil tragen, darf keinen Arsch, keine Titten und kein Bein zeigen. Wo sind wir denn hier?“
„I hob g`nau gesehen, wia Du beim Williams Robbie im Wohnzimmer den Rock hochg`hoben hast“, petzte der Weihnachtsmann und schnaubte geräuschvoll durch die Nase.
„Ich hatte eiskalte Füße, Du Schwimmbux“ motzte das christliche Kindchen böse, „und wollte mich am Kamin ein bisschen aufwärmen. Ich hab’ schließlich keine dicken, warmen Stiefel. Seit Jahren schleppe ich die Geschenke ganz alleine ohne Hilfe in die Häuser, während Du einen ganzen Hofstaat an Helfern hast.“
„Dafür host a Top-Figur, Dirndll“, grinste der Weihnachtsmann unverschämt, „außerdem is es a net angenehm, dös ganze Johr in oaner WG mit Zwergen, Elfen und Rentiere z`hausen.“
„In einer WG?“ das Christkind ereiferte sich vollends und seine Stimme überschlug sich, „Eine WG nennst Du dieses komfortable Einfamilienhaus in wunderschöner naturbelassener Lage? Mit offenem Kamin, gemütlichem Sofa, genug zu trinken im Kühlschrank und Deine Zwerge kochen Dir was Du willst. Ich hab’ nur `ne zugige, mitnichten weiche, Wolke, eine lausige Postfachadresse, muss meine Plätzchen selbst backen und die Engel zicken auch immer `rum.“

„Ja Kruzitürken, spinnertes Weib….“ hob der Weihnachtsmann wieder an, aber der Herr unterbrach ihn. „Stoooop, es reicht ihr beiden“, polterte der Herr, „ich hab’ Euch eingestellt, damit ihr den Menschen Freude bringt und Wünsche erfüllt. Meine Kirchen sind leer und ich bin auf gute Publicity angewiesen. Seht Euren Job gefälligst mal positiv. Ihr habt das ganze Jahr Urlaub und müsst nur am Heiligabend ein paar Stunden malochen. Jeder Erdenbürger würde sich nach so einer Arbeitszeit sehnen. Ihr habt keine mobbenden Kollegen, die Euch den Platz streitig machen und keine Kunden, die sich beschweren. Zur Not könnt ihr Fehler bei den Geschenken auf die Eltern abwälzen. Ihr habt Betriebswohnungen, für die ihr keinen Cent Miete zahlt und die Berufskleidung bekommt ihr auch noch gestellt.“

„Und was ist mit der Arbeitssicherheit?“, wagte das Christkind einzuwenden, „die Berufsgenossenschaft hätte sicher was dagegen, wenn ich so ungesichert einen Berg Pakete schleppe.“ „Gut“, entgegnete der Herr entnervt, „dann sorge ich nächstes Jahr dafür, dass Du einen Schutzhelm und Sicherheitsstiefel mit Stahlkappe bekommst. Aber mehr kann ich wirklich nicht tun. Meine Mittel sind erschöpft.“

„Chrchr“ machte der Weihnachtsmann, der in der Zwischenzeit unbemerkt eingeschlafen war. „Pst, Herr“, flüsterte das Christkind, „kann ich nicht doch mal bei Prada nachfragen? Vielleicht würden die ja sponsorn…“ Der Herr dachte „sach ma nix“ in seiner Heimatsprache, in der er sich nie laut äußern durfte, und wandte sich resigniert ab.


(c) Daniela Röcker 2010

Montag, 19. April 2010

SiXX - HühnerTV?!


"Alles, was Frauen interessiert" will Katja Hofen-Best, die Chefin des neuen Frauensenders der ProSiebenSAT1-Gruppe, mit dem neuen Frauenformat "SiXX" ab 07. Mai 2010 in die digitale Fernsehwelt katapultieren.
Man möge verzeihen, dass die Autorin dieser Zeilen an der Umsetzung des Ziels, in einem einzigen Sender alles erfassen zu wollen, was die Gesamtheit aller ausstrahlenden Sender nicht einmal ansatzweise schafft, leise bis brüllaffenlaute Zweifel hegt.

Auch der Hinweis des Senders, dass das Doppel-XX im Namen das weibliche Chromosom darstelle, man aber nicht beabsichtige, die potentielle Zuschauerin mit Wissenschaft in Berührung zu bringen, läßt eine latent vorhandene Erwartungshaltung gegen Null tendieren.Blocksatz
Bei näherem Hinsehen scheint die Zielgerade dann doch nicht so weit entfernt, denn Frau Hofen-Best hat sich auf die Zielgruppe der 19- bis 39-jährigen Fernsehenden beschränkt. Die wird nun mit einem frühlingshaften, unisexen Grün im Logo, welches stark an das Logo eines Billigschmuckherstellers erinnert, zum Verweilen verführt. Vorausgesetzt, sie findet den richtigen Knopf auf der Fernbedienung.

Denn, dass die Macher der Imagekampagne ein sprechendes Huhn als Trägermotiv wählten, könnte man schmunzelnd fast als plumpe Ironie gelten lassen.
Sogar ein verständnisvolles Lächeln drängt sich ob der geistig uneleganten, möglicherweise männlich erdachten, Parallele zwischen Huhn und potentieller Zuschauerin auf, wenn das Hühnchen fast hilflos, leise fluchend auf der Fernbedienung herumpickt.

Da Frau Hofen-Best bisher für die Programmgestaltung des Männersenders DMax verantwortlich zeichnete, darf es jedoch nicht verwundern, dass auch für dieses Format bereits eingangs mehr als ausgetretene Klischees bedient werden. Ob dies sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es nichts wirklich Einschaltenswertes oder Aufregendes beim neuen Sender, der sich gar einen feministischen Hauch leistet und als "Senderin" betitelt.
"Männerfernsehen ist relativ simpel - Frauen hingegen sind um einiges anspruchsvoller", sagt die Programmchefin.
Ein Blick in die Programmübersicht von SiXX bestätigt ihre Aussage folgerichtig: Serien, Serien und nochmal Serien! Eine Prise Reise, eine Handvoll Stars und Sternchen, Teleshopping.

Ich bin begeistert! Das ist es also, was die Frau zwischen 19 und 39 Lenzen sehen möchte. Fantastisch! Liebe, Leidenschaft, Tratsch und Shopping! So einfach ist das! Und ich dachte tatsächlich, Frau würde sehen wollen, welche Schuhe am besten geeignet sind, um morgens ab 8 Uhr als erste die Sonderangebote bei Aldi, Lidl und Co. zu ergattern.

Oder, ich traue mich gar nicht es auszusprechen, dass sie womöglich intellektuell ansprechende Beiträge zu Kultur, Politik oder gar Wissenschaft sehen möchte. Sich über wirkliche Gesundheit informieren und nicht dem Jugendkult anheim fallen wolle. Oder sich unter Umständen für die Religion und Geschichte anderer Länder interessiere und nicht nur für die Ausstattung der vier landesbesten 5-Sterne-Hotels in lagunenähnlicher Poollandschaft.
Und dass es sie überhaupt nicht interessiert, warum ein drittklassiges Sternchen gerade seinen 7. Ehemann verlassen hat und es von eher nachrangiger Bedeutung ist, in welcher der zahlreichen stereotypen Serien, die Hauptdarstellerin sich am Ende doch noch von ihren astralkörperbehafteten Traumprinzen schwängern läßt.

Ein wenig misstrauisch macht mich jedoch das Interview, welches im Vorfeld auf einer Schuhmesse (!!) geführt wurde und klären sollte, was Frauen sehen wollen. Die Mehrheit der befragten Frauen gehörte zum äußersten Rand der Zielgruppe oder lagen wenig darüber. Unbeachtet der Tatsache, dass man ein solches Interview nach Gutdünken und Anspruch des Auftraggebers so zusammenschneiden kann, wie es gerade beliebt, fragt man sich, warum nicht Wert auf ein ausgewogenes und dementsprechend aussagefähigeres Mischungsverhältnis der Zielgruppe gelegt wurde. Gaben einige Zielgruppentrefferinnen vielleicht Antworten wie: "Ey, Alder, Frauenfernsehen, son Scheiß' kuck isch nisch" oder "Sollten Sie mich zu einer klischeehaften Antwort wie 'Mode' nötigen wollen, hänge ich Ihnen ein Anklage wegen Verleumdung an den Hals"?

Nun, sei's drum. Offensichtlich habe ich mich in den Fernsehvorlieben der Zielgruppe getäuscht und Frau Hofen-Best hat Unrecht:
Frauenfernsehen in der potentiellen Zielgruppe ist ebenso simpel wie Männerfernsehen - Klischees bedienen, konsumieren und Mund halten. Wer nicht dazugehört, benutzt die Fernbedienung.

Fazit: Fernsehen für erwachsene Lillifeen, die zu blöd zum Umschalten sind.


(c) Daniela Röcker, 2010

Freitag, 9. April 2010

Mist, ich bin keine Jude!

Ich bin kein Jude, weder von Geburt an noch konvertiert. Schade eigentlich! Niemand nennt mich Schlomo, Golda oder Rafik. Meine Eltern beglückten mich mit einem typischen Mädchennamen der 1968er Jahre: "Daniela". Nicht ganz so schlimm wie "Sandra" oder "Silke", aber auch nicht besser als "Michaela" oder "Manuela". Bei der üblichen Abkürzung "Dani", weil niemand Lust hat, einen viersilbigen Namen auszusprechen, muss man regelmäßig erklären, dass man nicht "der kleine Daniel" ist.
Kein Blitzen in den Augen des Gegenübers, kein "Aha", kein Fragen, kein wissendes Kopfnicken, wenn der Name "Daniela" genannt wird. Im besten Fall rudimentär nach oben gezogene Mundwinkel, meistens aber keine Reaktion.

Mit meiner Religion kann ich auch nicht punkten, keine sauren Brotlaiber, nächtliche Seancen, Selbstmordattentäter oder blutige Rituale. Nur Schokonikoläuse, wegen Trunkenheit zurückgetretene Bischöfinnen und Männer, die Kult mit ihren unterdrückten Trieben treiben. Ich esse gewöhnlich, oft kleines, in sich verschlungenes Laugengebäck. Weder koscher noch vegan. Keine Sterneküche, kein Molekularkochen.

Jüdischen Humor habe ich nicht, obwohl ich sehr darüber lachen kann. Ich bin kein Schwabe, sonst könnte ich wenigstens kein Hochdeutsch und wäre überall. Ein Hoch auf das Klischee! Mir fehlt die Gelassenheit eines Dalaih Lamas und die Chuzpe der roten Zora. Bei schlechter Musik geht es mir schlecht.

Leider kann ich auch nicht mit einer kollektiven, schrecklichen Vergangenheit aufwarten. Meine Vorfahren wurden möglicherweise vertrieben, aber daran kann sich niemand mehr erinnern. Vielleicht trugen sie viersilbige Vornamen. Allerdings wurden sie weder vergast noch in Arbeitslager gesteckt. Nicht als Gelbfüßler oder Ossis verunglimpft und auch nicht an ein Kreuz genagelt. Kennt zufällig jemand die Holzsorte der damals handelsüblichen Kreuze?

Niemand fragt mich, wie ich das Trauma meiner Kindheit trotz Quench, TriTop und Barbapapa überstanden habe und ob ich meine Erinnerungen nicht in einem Buch, Film oder künstlerischer Installation verarbeiten möchte.

Die Erkenntnis ist bitter, ich bin mainstream. Aber ich hab' am 11.11. Geburtstag und bin am Niederrhein aufgewachsen. Reicht das vielleicht?

(c) Daniela Röcker 2010

Montag, 5. April 2010

Blood Red Shoes - Schocken/LKA

Unbewusst aufgefallen ist mir die Band schon bei Motor-FM. Der Song "I Wish I Was Someone Better" hatte sich wohl schon öfter bei mir durch die Ohrmuscheln geschlängelt und sich in meinem Denk- und Speicherorgan hartnäckig festgesetzt. Voll ins Bewusstsein zurück gefeuert wurde mir der Song, als er mir im Vorprogramm von Maximo Park im LKA live und im kurzen schwarzen Kleidchen entgegen geschmettert wurde. Da wir ein paar Minuten zu spät waren, hatten wir nicht mitbekommen, welche Vorband da gerade spielte; die auf der Karte angekündigte war es jedenfalls todsicher nicht.

Nach kurzem Rätselraten wer denn nun das dyamische Duo mit Gitarre und Schlagzeug auf der Bühne war, entschloss ich mich aber zunächst für das leibliche Wohl zu sorgen und Bier zu holen. Auf dem Weg zur Theke löste sich das Rätsel im Vorbeigehen am Merchandisingstand auf: das Duo, das auf der Bühne stand und der Menge kräftig einheizte waren die Blood Red Shoes. Laura-Mary Carter an der Gitarre und Steven Ansell am Schlagzeug rockten die Halle dermaßen, dass Maximo Park dagegen leider etwas blass blieben.

Ehrensache, dass das Debütalbum "Box of Secrets" alsbald unsere Plattensammlung zierte und der Nachfolger "Fire Like This" mit Spannung erwartet wurde. Die Erwartungen wurden schnell voll erfüllt und die Freude über die gelungene Platte wurde noch gesteigert durch die Ankündigung der Tour zum Album mit Station im Schocken in Stuttgart.

Und da waren wir nun also, freudig gespannt und in für ein Konzert unüblicher Position auf der Galerie direkt über der Bühne und den dazugehörigen Scheinwerfen. Zwar relativ warm, aber aushaltbar. Nachdem die Jungs der Vorband Ihren Testosteron- und Adrenalinrausch einigermaßen hörbar auf der Bühne ausgetobt hatten, betraten die beiden Hauptprotagonisten des Abends die Bühne. Laura wieder im kurzen, schwarzen Kleidchen, aber aus der Nähe betrachtet mit nur noch halb soviel Präsenz und Sexappeal als im LKA. Ein bisschen jugendlicher Babyspeck an Waden und Gesicht kann schon recht ernüchternd sein. Aber es ging ja nicht um das Optische, sondern um den alternativen Rock, der da gleich aus den Boxen dröhnen würde. Steven konnten wir kaum sehen, da sein Schlagzeug direkt unter der Galerie aufgebaut war.

Auch hören konnten wir ihn zunächst kaum, da der Tontechniker noch eine Weile brauchen sollte, um den Gesang der beiden mit den Instrumenten ins Lot zu bringen. Als dann aber alles nach dem dritten Song passte und die beiden Kracher "Light It Up" und das bereits erwähnte "I Wish I Was Someone Better" das Publikum zum überkochen brachten, stand einem Abend im Zeichen von kompromisslosem und straightem Rock nichts mehr im Weg.

Fazit: Ein sehr gutes Konzert einer Live-Band, die noch von sich hören lassen wird.

Hörbeispiele:

Light It Up:
http://www.youtube.com/watch?v=wiTSbmxssBQ

I Wish I Was Someone Better:
http://www.youtube.com/watch?v=Jtt2gM3rpZE&feature=related

Sonntag, 14. Februar 2010

Abgeschrieben! Und nun?



So! Die Helene hat abgeschrieben! Abgeschrieben, abgekupfert und geklaut, verwertet und als eigenes Gedankengut ausgegeben. So etwas macht man doch nicht, schreit der Gutmensch. So etwas macht man sehr wohl, entgegnet die eigene Stimme und erinnert sich an eine Klausur in grauer Vorberufszeit, auf die man sich nicht vorbereitet hatte, weil am Abend vorher der Telefontratsch mit der besten Freundin einfach wichtiger war.
Dummerweise hatte man sich zwar aufs Abschreiben vorbereitet, jedoch die Taktik und Durchführung nicht konsequent durchgeplant. Das Ergebnis, ein lapidares „Ungültig, sechs!“ des aufgebrachten Lehrkörpers, war nur folgerichtig und nicht abzuwenden. Die coole Erwiderung, dass, wenn die Arbeit „ungültig“ wäre, man sie eigentlich nicht mit einer Wertung belegen könnte, machte das Desaster nicht besser.

Nun, möglicherweise ist Fräulein Hegemann noch nie beim Abschreiben erwischt worden und kannte dieses ohnmächtige Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit nicht, wenn man die Gewalt über sein Handeln an einen Fremden verliert. Vielleicht fehlt ihr als Kind der Copy-and-Paste-Generation aber auch das Bewusstsein, dass es als unredlich gilt, sich mit fremden Federn zu schmücken, egal aus welchem Federkleid man sie zupft.

Andererseits hat man auch nie die Verfasser des Neuen Testamentes als Plagiatoren an den Pranger, wenn es ihn damals denn schon gegeben hätte, gestellt oder gar verdammt. Niemand zweifelt die Originalität der Geschichte des jüdischen Zimmermannes aus Nazareth an, obwohl es nachweisbare Beispiele für höchst ähnliche Geschichten in vorchristlicher Zeit gibt.

Bevor nun also Fräulein Hegemann in der schneidenden Luft der Feuilletonseiten zerrissen wird, sei die Frage nach dem „Warum“ gestattet: Schrieb sie ab, weil sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten verdecken wollte? Hat der „geklaute“ Text sie derart beeindruckt, dass sie ihn verinnerlichte und nicht mehr zwischen ihren und den Gedanken des anderen unterschied? Oder hatte sie gar eine gewisse, vielleicht unterschwellige Ehrfurcht vor dem fremden Text, dass sie sich nicht fähig sah, ihn so zu verändern, dass der Plagiatsvorwurf vielleicht noch im Raum stünde, jedoch nicht mehr wirklich haltbar wäre? Eine Ehrfurcht, die sie dazu verleitete, den Text eben nicht zu verändern, sondern in seiner „Originalität“ stehen zu lassen?

Nun, es ist wie es ist, nicht mehr zu ändern, aber vielleicht ist noch die Frage nach dem „Qui bono?“, wem nützt es, zu stellen. Fräulein Hegemann nützt es sicherlich. Ob auf lange Sicht positiv oder negativ wird sich noch herausstellen. Sicherlich nützt es aber auch dem unbekannten Autor „Airen“, den die Verlagslandschaft bisher noch nicht wahrgenommen hat, weil er vielleicht keinen medienwirksamen Verwandten hat und nicht wirtschaftlich ausgeschlachtet werden kann und sich nun des öffentlichen Interesses sicher sein kann.

Aber bitte vorher prüfen, ob er vielleicht bei den Gebrüdern Grimm geklaut hat, gell? Und wenn ja, dann bitte wenigstens mit Quellangabe versehen.

Die hätte ich in der Bibel dann aber auch gerne.

(c) Daniela Röcker 2010


Dienstag, 9. Februar 2010

Biffy Clyro in der Röhre

In loser Reihenfolge möchte ich mich zukünftig hier mit meinem liebsten Freizeitthema auseinandersetzen: hörenswerter Musik!
Subjektiv, unabhängig, polemisch und ohne Rücksicht auf Verluste und SWR3-Hörer.

Beginnen möchte ich mit einer Band, deren CDs auf jeden Fall von mir in die Kategorie hörenswert eingestuft werden und die sich vor kurzem in der Stuttgarter "Röhre" die Ehre gegeben hat:

Die schottische Band Biffy Clyro.

Musik in Kategorien einzuteilen, halte ich für grundsätzlich problematisch, aber um Vergleiche zu ziehen und den Versuch zu unternehmen, Musik zu beschreiben, wohl leider unvermeidlich. Biffy Clyro sind definitiv eine Rockband, die allerdings zu Pop-Elementen neigt und gelegentlich Anleihen beim hymnischen Stadionrock macht.
Interessant wird die Mischung durch immer wieder eingestreuten überraschenden Tempo- und unkonventionelle Rythmuswechsel. Warum sie öfter mal in die Kategorie härteren Rocks eingestuft werden, bleibt mir persönlich verborgen, auch wenn das eine oder andere Mal Grohl'sche (Foo Fighters) Shouts gnadenlos, aber gut kopiert werden.

Zurück zum eigentlichen Anlass dieses Artikels. Das Konzert in der Röhre.
Konzerte von Bands mit vielen Vorschusslorbeeren sind immer so eine Sache, da die Erwartungen entsprechend hoch sind. Deshalb versuche ich, von Bands die ich noch nicht gesehen habe, möglichst wenig im Vorfeld über deren Live-Qualitäten zu erfahren. Im Falle von Biffy Clyro wurde mir dies leider unmöglich gemacht, da in jeder Publikation über die "voll-nach-vorne-gehenden" Konzerte geschwärmt wurde. Also war doch ein gewisser Erwartungshorizont im Unterbewußtsein verankert, als wir die Röhre betraten. Wie meistens erhöhten wir den Altersdurchschnitt der Konzertbesucher um einige Jahre. Waren aber, wie immer, nicht ganz die einzigen die sich auch im fortgeschrittenen Alter noch zu einem Rock-Konzert einer Band der jüngeren Generation trauten.

Die Vorband Blakfish begann schon, während wir noch mit den 18-25jährigen anderen Konzertbesucher in der Reihe standen, um unsere Jacken abzugeben. Die vier Jungs verschafften sich bei mir mit melodiösem Rock der durchaus härteren Gangart Respekt und könnten es sogar in unser CD-Regal schaffen, zumindest muss ich mir das bei Gelegenheit noch mal genauer anhören (wer das noch tun möchte der kann das hier tun: www.myspace.com/blakfish)

Die Röhre war ausverkauft und entsprechenend voll und eng wurde es, als der Auftritt der Hauptband immer näher rückte. Und dann ging's los!!! Zumindest versprach der Auftakt von Biffy Clyro dies, was allerdings nach dem brachialem Gitarrengewitter und dem urschreimäßigen "Gegrohle" (siehe oben) folgte war ein maximal mittelprächtiges Konzert, bei dem die Songs runtergerissen wurden und durch viel Gepose und nacktem Sänger-Oberkörper aufgepeppt werden sollte. Aber sorry, und jetzt muss ich aufpassen, nicht in die Sozialkritik abzurutschen, was zu meinem Erstaunen bei den Kiddies zu sehr aggressivem Pogo-Gehopse und ekstatischen Gesichtausdrücken langte, reichte bei mir nur zu ein bißchen Fusswippen und dem ein oder anderen rythmschen Heben und Senken des Kopfes. Viel zu oberflächlich mit wenig Substanz und ohne Mitzureißen spielten die Jungs ihr Repertoire herunter ohne wirklich "nach-vorne-zu-gehen". Das überkandidelte Gepose des Sängers verleitetet mich ein bißchen zum Fremdschämen und zu großem Unverständnis, wie dies von einem großen Teil des jungen Publikums frenetisch aufgenommen wurde. Musikalisch solide, aber wenig variantenreich wurde das Konzert zu Ende gebracht. Denke ich zumindest, denn es war erst das zweite Konzert, dass ich noch während der Zugabe verlassen habe. Schade, aber Biffy Clyro bringen den Esprit und die Qualität ihrer Studioalben leider nicht auf die Bühne.

Nun kann man der Meinung sein, dass der alte Sack einfach nicht mehr zu solchen Konzerten gehen sollte, weil der nicht mehr begeisterungsfahig genug ist, um voll dabei zu sein. Dem kann ich nur entgegen halten, dass ein Jahr zuvor die Röhre wirklich gebrannt hat, als die Sterophonics die Halle rockten und da blieb es auch bei mir nicht nur dabei mit den Füssen zu wippen...

Anspieltipps:

http://www.youtube.com/watch?v=nH-0YPmG76A

http://www.youtube.com/watch?v=mgpbzVOeXf0&feature=related

Dienstag, 2. Februar 2010

Denken hilft nicht!


Intelligenz gilt in den meisten Nationen dieser Erde, und damit ist „diese“ als jene welche gemeint, da man nicht ausschließen kann, dass „irgendwo“, um diesen leider eindimensionalen Begriff zu gebrauchen, ein ähnlich gelagertes Stück Materie existiert, als höchst erstrebenswertes Ziel zum Erreichen einer höheren Bewusstseinsebene.

Dass der Weg dorthin steinig ist und von diversen Umwegen durchgekreuzt wird, wusste bereits Buddha. Warum er aber, auf dem Zenit seiner Einsicht sich nicht selbst erhängt, erschossen oder irgendeine andere suizide Form wählte, bleibt ein Rätsel. Denn die Erkenntnis, die sich einem, auf dem Weg zur intelligenten Erleuchtung, überfallsartig immer wieder präsentiert lautet: Denken hilft nicht!
Mitnichten! Nicht, wer denkt, ist klar im Vorteil, sondern, wer denkt, hat die Arschkarte gezogen. Ohne Ausnahme! Man stelle sich dazu als Beispiel willkürlich eine belanglose, alltägliche Kleinigkeit, wie den Einkauf im Supermarkt vor. Ein denkender Mensch überlegt, was im Haushalt fehlt, notiert alles auf einem sogenannten „Einkaufszettel“, arbeitet diese To-Do-Liste nach Prioritäten sortiert ab und stellt sich dann an der Kasse an, wo KEINE kurzhaarige, blondgesträhnte Mutter genervt gesichtsleer den Wocheneinkauf aufs Band wuchtet und mechanisch dem dezent brüllenden Jason-Niklas einen garantiert biologisch abbaubaren Schokoriegel in die Futterluke schiebt.
Somit würde der Einkauf logistisch perfektioniert und man hätte später am Abend Zeit, sich bei einer ayurvedischen Massage die Simpsons im Originalton anzusehen. Soweit die Planrechnung! Leider taucht in dieser Rechnung mit konstanter Regelmäßigkeit der unberechenbare Faktor X auf – bzw. der Nicht-Denker. Sollte er nicht bereits zuhause aufgetaucht sein, will heißen, dass man feststellt, dass keine Butter mehr im Haus ist und sie daher auf dem Einkaufszettel notiert, dabei aber übersieht, dass der Herzallerliebste die kaum angebrochene Packung statt in den Kühlschrank zurück an eine nicht frei einsichtbare Stelle auf dem Küchenschrank deponiert hat, dann taucht der Nicht-Denker garantiert zuerst im Parkhaus auf und trödelt unblinkend, zuviel blinkend oder unmotiviert ausscherend vor einem her, bis alle anderen Parkplätze belegt sind, um dann kurzzeitig wegzutauchen und dann an der Wursttheke wieder aufzutauchen.
Dort hält er die gesamte Warteschlange in Atem weil er sich nicht entscheiden kann, ob’s denn nun 250 g Schwartemagen sein soll oder doch lieber 850 Einheiten Blutwurst. Ach, und Fräulein, von der gehörnten Zwiebelmettwurst gebense mir doch noch’n Viertel, ach nee, wartense, doch `n Stück von dem Eisbein, aber nich’ so groß, ja…wissense mein Mann, der verträgt nich so fettich!
Hat man nun als leicht denkender Mensch einen Nicht-Denker-Zeitpuffer in seine Rechnung eingeplant, kommt an dieser Stelle nur eine latente Aggressivität auf, die man mit einem Stück Schinkenwurst kurzzeitig bekämpfen kann. Wieso bekommen eigentlich nur Kinder ein Stück Schinkenwurst angeboten? Also, wenn zu diesem Zeitpunkt noch alles im grünen Zeit-Kosten-Nutzen-Bereich liegt und man auch noch eine Kasse ohne Jason-Niklas gefunden hat, prescht mit Sicherheit in der Sekunde, in der man das erste Glas Joghurt aufs Band stellen will, der Nicht-Denker seitwärts heran und fragt, ob er „mal schnell vor könnte“, er hätte nur zwei Teile.
Natürlich lässt man ihm den Vortritt, man hat schließlich eine soziale Verantwortung als Gutmensch, um sich dann im nächsten Moment mindestens zwei Ohrfeigen zu geben, weil die Kassiererin namens Cindy nicht gemerkt hat, dass die zwei Teile des Nicht-Denkers – möglicherweise sind Cindy und er Nicht-Denker verwandt – nicht zum nachfolgenden Einkauf gehören, sondern blödblind motivationslos einen Artikel nach dem anderen über den Scanner schiebt um dann nach Frau Soundso zu schreien und „Stornoschlüssel“ zu rufen.
Selbst dieser Zeitausfall könnte noch aufgefangen werden, hätte der Nicht-Denker mit den zwei Teilen nicht erstens festgestellt, dass die Verpackung der einen Müsliverpackung defekt und er sich daher eine Ersatzpackung aus dem 800 m weiter entfernten Regal holen muss und dabei offensichtlich am Stand mit den Zeitschriften hängen bleibt, um noch kurz die „Neue Bastelwoche“ oder ähnliches mitzunehmen, sondern auch offensichtlich die Spardose seines Sohnes geleert hat, um nun seinen 5-Euro-Einkauf sorgsam mit 10- und 50-Cent-Stücken zu bezahlen. An diesem Punkt der Rechnung könnte die latente Aggressivität durchaus zu einer offenen werden.
Natürlich könnte man einwenden, dass der arme Nicht-Denker sicherlich eine schwere Kindheit hatte und man sich generell nicht über solche Kleinigkeiten aufregen soll.
Stimmt, aber man kann auch global „nichtdenken“. Das würde dann auch erklären, warum Akademikerinnen fast keine mehr Kinder bekommen. Würden sie nämlich „nichtdenken“, könnten sie sich ganz entspannt durch die Gegend vögeln und ein Kind nach dem anderen mit möglichst vielen verschiedenen Erzeugern werfen.
Bausparverträge, Lebensversicherungen, Anleihen, Wertpapiere – alles überflüssig und viel zu weit in die Zukunft gedacht. Wenn die nämlich zur Auszahlung kommen, ist Jason-Niklas erwachsen und ballert frustriert als Amok-Schütze durch den Supermarkt, in dem Sie gerade an der Kasse stehen, weil er als Kind dort immer Schokoriegel in den Mund gesteckt bekam - schwere Kindheit halt.
Wie gesagt, denken hilft nicht!
(c) Daniela Röcker 2009

Freitag, 15. Januar 2010

Momentaufnahme am Samstagabend

Stockdunkler Spätabend. Die gelangweilten bis müden Mienen der wenigen Fahrgäste spiegeln sich fade in den schmierigen, zerkratzten Fensterscheiben. Ein Samstagabend im September, 21 Uhr irgendwas in einer Regionalbahn Richtung holländische Grenze. Monoton und einschläfernd rauschen die Räder über die Schienen.

Ein verlebtes Zugabteil mit ungesunder Beleuchtung und atemberaubender Belüftung, in dem sich aufgestauter Mief aus Jahrzehnten in jede Pore der Inneneinrichtung gefressen hat. Ein Zugabteil wie tausend andere auch. Abgenutzte, von unzähligen Hinterteilen durchgesessene, verschlissene Polster. Die Farbe des Fußbodens changiert zwischen matschbraun und schleimgrün. Die Abfalleimer zugemüllt und mit diversen Ablagerungen undefinierbarer Herkunft verziert. Eine leere PET-Wasserflasche rollt auf dem Boden knirschend von einer Ecke in die andere, bis sich ein grauhaariger Rentner erbarmt und sie aufhebt. Eine zerknitterte Zeitung in russischer Sprache liegt vergessen im Gepäckhalter.

In der Sitzgruppe nebenan, schräg gegenüber, hat sich ein männliches, unschönes Individuum breit gemacht.

Seine bleiche Körpermasse belegt fast zwei Drittel der gesamten Sitzbank. Ein Secondhandmantel mit Fischgratmuster und zerrissenem Futter hängt am Garderobenhaken neben ihm am Fenster. Eine schwarze Reisetasche mit abgestoßenen Kanten findet noch schwer beengt Platz neben ihm.

Wieviel Fast-Food kann ein einzelner Mensch wohl vertragen, bis sich eine so enorme Masse auf einem Fleck ansammelt? Zuhause in seinem rostigen, verschimmelten Kühlschrank stapeln sich sicher die Hansa-Pils-Bierdosen. Zieht sich wahrscheinlich, wenn er sich auf seine speckige camelfarbene Couch, ein Erbstück der Oma, hat fallen lassen, noch sechs bis acht Liter davon rein und vegetiert dort mit leerem Blick auf die depressive Eichefurnier-Schrankwand bis zum nächsten Spätnachmittag vor sich hin. Sein Hirn kontinuierlich und konsequent über Jahre hinweg unaufhaltsam weggesoffen. Ewig verschlepptes Studium als Sozialpädagoge oder abgebrochene Lehre als Pfleger im Altenheim und danach lebenslang befristeter Aushilfsjob bei der örtlichen Drogenberatungsstelle? Ist er noch Jungfrau und masturbiert zweimal täglich oder hat er schon zahlreiche Polinnen auf seiner wackeligen 90 mal 2 Meter Bettstatt zwischen der mit diversen Körperflüssigkeiten durchtränkten, abgewetzten Bettwäsche unter sich zermalmt?

Verhornte, pilzige Füße samt dunkelgelben Fußnägeln, die Pediküre für eine sexuelle Abart halten, stecken in ehemals schwarzen, speckigen, uralten Bundeswehrstiefeln, deren rissiges Leder an manchen Stellen den Blick auf das Futter freigibt. Die fleckige, verwaschene, schwarze Hose beult an den Knien und der dicke schwarze, mit Flusen übersäte, Pullover mit dem altmodischen Zopfmuster riffelt an den Ärmeln auf.

Sind die mottenzerfressenen Klamotten vom Rot-Kreuz-LKW gefallen oder hat er den Malteser-Abfall durchwühlt? Klassischer Hartz IV-Empfänger am Rande der Konsumgesellschaft? Wie lange wird er schon arbeitslos sein? Hat er überhaupt schon einmal gearbeitet? Frißt sich bestimmt seit Jahren schon auf Steuerzahlers' Kosten durch die Gegend!

Das metallene Kassengestell, optisch galant unauffällig, dessen Flügel Druckstellen auf seiner grobporigen Nase hinterlassen, hat leicht lädiert die 80er-Jahre überlebt. Rote Flecken auf seinen Wangen und ein paar eitrige Pickel am doppelten Kinn machen die gewichtige Erscheinung nicht angenehmer. Dunkle Haare, im oberen Bereich den Blick freigebend auf die glänzende, weiße Kopfhaut, fallen ihm bis weit über die Schultern. Ungepflegt, verfilzt und am Hinterkopf sind zwei Reste Dreadlocks zu erkennen.

Eine winzige, schwarze Kappe auf dem Kopf zaubert einen Hauch „Kommune 1 – Feeling“ in sein schäbiges Äußeres, was die pelzigen Haare, die aus seinen Ohren wachsen, noch dezent unterstreichen. Seine fetten, schmalzigen Hände zerdrücken ein kleines, völlig zerfleddertes und vergilbtes Taschenbuch mit geknickten Seiten. Jedem seiner wurstartigen, weißen Finger hat er einen silbernen, fein ziselierten Ring mit schwarzem Stein aufgezwungen.

Na, wenigstens kann er lesen! Kann er oder ist es gar ein Bilderbuch?

Blick auf den Titel des Buches: „Der kleine Prinz“

….man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche bleibt für die Augen unsichtbar…

(c) Daniela Röcker 2007