Dienstag, 2. Februar 2010

Denken hilft nicht!


Intelligenz gilt in den meisten Nationen dieser Erde, und damit ist „diese“ als jene welche gemeint, da man nicht ausschließen kann, dass „irgendwo“, um diesen leider eindimensionalen Begriff zu gebrauchen, ein ähnlich gelagertes Stück Materie existiert, als höchst erstrebenswertes Ziel zum Erreichen einer höheren Bewusstseinsebene.

Dass der Weg dorthin steinig ist und von diversen Umwegen durchgekreuzt wird, wusste bereits Buddha. Warum er aber, auf dem Zenit seiner Einsicht sich nicht selbst erhängt, erschossen oder irgendeine andere suizide Form wählte, bleibt ein Rätsel. Denn die Erkenntnis, die sich einem, auf dem Weg zur intelligenten Erleuchtung, überfallsartig immer wieder präsentiert lautet: Denken hilft nicht!
Mitnichten! Nicht, wer denkt, ist klar im Vorteil, sondern, wer denkt, hat die Arschkarte gezogen. Ohne Ausnahme! Man stelle sich dazu als Beispiel willkürlich eine belanglose, alltägliche Kleinigkeit, wie den Einkauf im Supermarkt vor. Ein denkender Mensch überlegt, was im Haushalt fehlt, notiert alles auf einem sogenannten „Einkaufszettel“, arbeitet diese To-Do-Liste nach Prioritäten sortiert ab und stellt sich dann an der Kasse an, wo KEINE kurzhaarige, blondgesträhnte Mutter genervt gesichtsleer den Wocheneinkauf aufs Band wuchtet und mechanisch dem dezent brüllenden Jason-Niklas einen garantiert biologisch abbaubaren Schokoriegel in die Futterluke schiebt.
Somit würde der Einkauf logistisch perfektioniert und man hätte später am Abend Zeit, sich bei einer ayurvedischen Massage die Simpsons im Originalton anzusehen. Soweit die Planrechnung! Leider taucht in dieser Rechnung mit konstanter Regelmäßigkeit der unberechenbare Faktor X auf – bzw. der Nicht-Denker. Sollte er nicht bereits zuhause aufgetaucht sein, will heißen, dass man feststellt, dass keine Butter mehr im Haus ist und sie daher auf dem Einkaufszettel notiert, dabei aber übersieht, dass der Herzallerliebste die kaum angebrochene Packung statt in den Kühlschrank zurück an eine nicht frei einsichtbare Stelle auf dem Küchenschrank deponiert hat, dann taucht der Nicht-Denker garantiert zuerst im Parkhaus auf und trödelt unblinkend, zuviel blinkend oder unmotiviert ausscherend vor einem her, bis alle anderen Parkplätze belegt sind, um dann kurzzeitig wegzutauchen und dann an der Wursttheke wieder aufzutauchen.
Dort hält er die gesamte Warteschlange in Atem weil er sich nicht entscheiden kann, ob’s denn nun 250 g Schwartemagen sein soll oder doch lieber 850 Einheiten Blutwurst. Ach, und Fräulein, von der gehörnten Zwiebelmettwurst gebense mir doch noch’n Viertel, ach nee, wartense, doch `n Stück von dem Eisbein, aber nich’ so groß, ja…wissense mein Mann, der verträgt nich so fettich!
Hat man nun als leicht denkender Mensch einen Nicht-Denker-Zeitpuffer in seine Rechnung eingeplant, kommt an dieser Stelle nur eine latente Aggressivität auf, die man mit einem Stück Schinkenwurst kurzzeitig bekämpfen kann. Wieso bekommen eigentlich nur Kinder ein Stück Schinkenwurst angeboten? Also, wenn zu diesem Zeitpunkt noch alles im grünen Zeit-Kosten-Nutzen-Bereich liegt und man auch noch eine Kasse ohne Jason-Niklas gefunden hat, prescht mit Sicherheit in der Sekunde, in der man das erste Glas Joghurt aufs Band stellen will, der Nicht-Denker seitwärts heran und fragt, ob er „mal schnell vor könnte“, er hätte nur zwei Teile.
Natürlich lässt man ihm den Vortritt, man hat schließlich eine soziale Verantwortung als Gutmensch, um sich dann im nächsten Moment mindestens zwei Ohrfeigen zu geben, weil die Kassiererin namens Cindy nicht gemerkt hat, dass die zwei Teile des Nicht-Denkers – möglicherweise sind Cindy und er Nicht-Denker verwandt – nicht zum nachfolgenden Einkauf gehören, sondern blödblind motivationslos einen Artikel nach dem anderen über den Scanner schiebt um dann nach Frau Soundso zu schreien und „Stornoschlüssel“ zu rufen.
Selbst dieser Zeitausfall könnte noch aufgefangen werden, hätte der Nicht-Denker mit den zwei Teilen nicht erstens festgestellt, dass die Verpackung der einen Müsliverpackung defekt und er sich daher eine Ersatzpackung aus dem 800 m weiter entfernten Regal holen muss und dabei offensichtlich am Stand mit den Zeitschriften hängen bleibt, um noch kurz die „Neue Bastelwoche“ oder ähnliches mitzunehmen, sondern auch offensichtlich die Spardose seines Sohnes geleert hat, um nun seinen 5-Euro-Einkauf sorgsam mit 10- und 50-Cent-Stücken zu bezahlen. An diesem Punkt der Rechnung könnte die latente Aggressivität durchaus zu einer offenen werden.
Natürlich könnte man einwenden, dass der arme Nicht-Denker sicherlich eine schwere Kindheit hatte und man sich generell nicht über solche Kleinigkeiten aufregen soll.
Stimmt, aber man kann auch global „nichtdenken“. Das würde dann auch erklären, warum Akademikerinnen fast keine mehr Kinder bekommen. Würden sie nämlich „nichtdenken“, könnten sie sich ganz entspannt durch die Gegend vögeln und ein Kind nach dem anderen mit möglichst vielen verschiedenen Erzeugern werfen.
Bausparverträge, Lebensversicherungen, Anleihen, Wertpapiere – alles überflüssig und viel zu weit in die Zukunft gedacht. Wenn die nämlich zur Auszahlung kommen, ist Jason-Niklas erwachsen und ballert frustriert als Amok-Schütze durch den Supermarkt, in dem Sie gerade an der Kasse stehen, weil er als Kind dort immer Schokoriegel in den Mund gesteckt bekam - schwere Kindheit halt.
Wie gesagt, denken hilft nicht!
(c) Daniela Röcker 2009