Sonntag, 14. Februar 2010

Abgeschrieben! Und nun?



So! Die Helene hat abgeschrieben! Abgeschrieben, abgekupfert und geklaut, verwertet und als eigenes Gedankengut ausgegeben. So etwas macht man doch nicht, schreit der Gutmensch. So etwas macht man sehr wohl, entgegnet die eigene Stimme und erinnert sich an eine Klausur in grauer Vorberufszeit, auf die man sich nicht vorbereitet hatte, weil am Abend vorher der Telefontratsch mit der besten Freundin einfach wichtiger war.
Dummerweise hatte man sich zwar aufs Abschreiben vorbereitet, jedoch die Taktik und Durchführung nicht konsequent durchgeplant. Das Ergebnis, ein lapidares „Ungültig, sechs!“ des aufgebrachten Lehrkörpers, war nur folgerichtig und nicht abzuwenden. Die coole Erwiderung, dass, wenn die Arbeit „ungültig“ wäre, man sie eigentlich nicht mit einer Wertung belegen könnte, machte das Desaster nicht besser.

Nun, möglicherweise ist Fräulein Hegemann noch nie beim Abschreiben erwischt worden und kannte dieses ohnmächtige Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit nicht, wenn man die Gewalt über sein Handeln an einen Fremden verliert. Vielleicht fehlt ihr als Kind der Copy-and-Paste-Generation aber auch das Bewusstsein, dass es als unredlich gilt, sich mit fremden Federn zu schmücken, egal aus welchem Federkleid man sie zupft.

Andererseits hat man auch nie die Verfasser des Neuen Testamentes als Plagiatoren an den Pranger, wenn es ihn damals denn schon gegeben hätte, gestellt oder gar verdammt. Niemand zweifelt die Originalität der Geschichte des jüdischen Zimmermannes aus Nazareth an, obwohl es nachweisbare Beispiele für höchst ähnliche Geschichten in vorchristlicher Zeit gibt.

Bevor nun also Fräulein Hegemann in der schneidenden Luft der Feuilletonseiten zerrissen wird, sei die Frage nach dem „Warum“ gestattet: Schrieb sie ab, weil sie ihre eigenen Unzulänglichkeiten verdecken wollte? Hat der „geklaute“ Text sie derart beeindruckt, dass sie ihn verinnerlichte und nicht mehr zwischen ihren und den Gedanken des anderen unterschied? Oder hatte sie gar eine gewisse, vielleicht unterschwellige Ehrfurcht vor dem fremden Text, dass sie sich nicht fähig sah, ihn so zu verändern, dass der Plagiatsvorwurf vielleicht noch im Raum stünde, jedoch nicht mehr wirklich haltbar wäre? Eine Ehrfurcht, die sie dazu verleitete, den Text eben nicht zu verändern, sondern in seiner „Originalität“ stehen zu lassen?

Nun, es ist wie es ist, nicht mehr zu ändern, aber vielleicht ist noch die Frage nach dem „Qui bono?“, wem nützt es, zu stellen. Fräulein Hegemann nützt es sicherlich. Ob auf lange Sicht positiv oder negativ wird sich noch herausstellen. Sicherlich nützt es aber auch dem unbekannten Autor „Airen“, den die Verlagslandschaft bisher noch nicht wahrgenommen hat, weil er vielleicht keinen medienwirksamen Verwandten hat und nicht wirtschaftlich ausgeschlachtet werden kann und sich nun des öffentlichen Interesses sicher sein kann.

Aber bitte vorher prüfen, ob er vielleicht bei den Gebrüdern Grimm geklaut hat, gell? Und wenn ja, dann bitte wenigstens mit Quellangabe versehen.

Die hätte ich in der Bibel dann aber auch gerne.

(c) Daniela Röcker 2010