Freitag, 9. April 2010

Mist, ich bin keine Jude!

Ich bin kein Jude, weder von Geburt an noch konvertiert. Schade eigentlich! Niemand nennt mich Schlomo, Golda oder Rafik. Meine Eltern beglückten mich mit einem typischen Mädchennamen der 1968er Jahre: "Daniela". Nicht ganz so schlimm wie "Sandra" oder "Silke", aber auch nicht besser als "Michaela" oder "Manuela". Bei der üblichen Abkürzung "Dani", weil niemand Lust hat, einen viersilbigen Namen auszusprechen, muss man regelmäßig erklären, dass man nicht "der kleine Daniel" ist.
Kein Blitzen in den Augen des Gegenübers, kein "Aha", kein Fragen, kein wissendes Kopfnicken, wenn der Name "Daniela" genannt wird. Im besten Fall rudimentär nach oben gezogene Mundwinkel, meistens aber keine Reaktion.

Mit meiner Religion kann ich auch nicht punkten, keine sauren Brotlaiber, nächtliche Seancen, Selbstmordattentäter oder blutige Rituale. Nur Schokonikoläuse, wegen Trunkenheit zurückgetretene Bischöfinnen und Männer, die Kult mit ihren unterdrückten Trieben treiben. Ich esse gewöhnlich, oft kleines, in sich verschlungenes Laugengebäck. Weder koscher noch vegan. Keine Sterneküche, kein Molekularkochen.

Jüdischen Humor habe ich nicht, obwohl ich sehr darüber lachen kann. Ich bin kein Schwabe, sonst könnte ich wenigstens kein Hochdeutsch und wäre überall. Ein Hoch auf das Klischee! Mir fehlt die Gelassenheit eines Dalaih Lamas und die Chuzpe der roten Zora. Bei schlechter Musik geht es mir schlecht.

Leider kann ich auch nicht mit einer kollektiven, schrecklichen Vergangenheit aufwarten. Meine Vorfahren wurden möglicherweise vertrieben, aber daran kann sich niemand mehr erinnern. Vielleicht trugen sie viersilbige Vornamen. Allerdings wurden sie weder vergast noch in Arbeitslager gesteckt. Nicht als Gelbfüßler oder Ossis verunglimpft und auch nicht an ein Kreuz genagelt. Kennt zufällig jemand die Holzsorte der damals handelsüblichen Kreuze?

Niemand fragt mich, wie ich das Trauma meiner Kindheit trotz Quench, TriTop und Barbapapa überstanden habe und ob ich meine Erinnerungen nicht in einem Buch, Film oder künstlerischer Installation verarbeiten möchte.

Die Erkenntnis ist bitter, ich bin mainstream. Aber ich hab' am 11.11. Geburtstag und bin am Niederrhein aufgewachsen. Reicht das vielleicht?

(c) Daniela Röcker 2010